Wasserskulptur, 1995

Berlin, 1995, Granit, Edelstahl, 6,00 x 5,00 x 5,25 m

Steine sind ungeheuer alt. Sie sind länger in der Welt als der Mensch und werden es wohl auch bleiben. Manchmal können sie fliegen, meist folgen sie aber dem Prinzip des Langsamen und Regungslosen. Granit zählt etwa vierhundert Millionen Jahre.
Der Stein, der die Idee in sich barg, ist ein Fundstück. Er stammt vom Strand der dänischen Insel Langeland. Dort haben vor ein paar Jahren Sophie an der Brügge und ich Tage damit verbracht, aus Millionenmengen solcher Steine, alle so groß wie Brote, einer schöner als der andere, den Schönsten herauszufinden; ein Versuch, in der endlosen Vielfalt eben das besondere Einzelne zu entdecken. Die Form hat das Meer, die Natur geschaffen. Vom Wasser andauernd hin und her bewegt, gegen andere Steine stoßend, schleifend, und das über Ewigkeiten. Vor tausend Jahren vielleicht noch zehnmal so groß, mit dem Schicksal, in weiteren zweitausend Jahren vielleicht zur Größe eines Sandkorns geschrumpft zu sein.
Worin besteht nun seine Schönheit, sein ästhetischer Reiz, seine plastische Qualität? Ein regelmäßiger elliptischer Körper ist er nicht, eine Kugel schon gar nicht. Dennoch hat er das Wesen alles Gerundeten in sich, sagt mehr über Spannung und Verlauf innerer, formbildender Kräfte, als das jede nach geometrischen Regeln berechnete und erdachte Form könnte. Diese entzieht sich jeder Kalkulation, jeder berechenbaren Methode, und man kann sich ihr nur mit der haptischen Empfindung nähern. Die Bezeichnung organische Form paßt hier besonders gut, weil man tatsächlich ein Organ, eine Niere, eine Leber, auch ein Herz assoziieren kann, also etwas, das einem Organismus zum Leben verhilft.
Der kleine Stein wurde vom Meer angespült, der große, bildhauerisch bearbeitet und vierzehn Granittonnen schwer, kam aus dem Fichtelgebirge durch das Dach des Gebäudes hineingesegelt. Für kurze Zeit ein fliegender Monolith am Himmel, ist er nun auf Dauer gelandet: als Gegenform zur umgebenden Architektur, abgelegt in balancierendem Gleichgewicht auf der scharfen Kante eines kubischen Metallkörpers. Und wenn dann noch still und sanft das Wasser fließt, wird er sich erinnern daran, wie der Mond Ebbe und Flut bewirkt und das Meer die Steine formt.