Rolf Lieberknecht: „Anmerkung“

ANMERKUNG „Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge
und verbindet das Individuum mit der Gemeinschaft“.
(Augustinus 354 – 430)

Die Ergebnisse meiner künstlerischen Befassungen als Ganzes sind höchst unterschiedlich.
Ich bin auf nichts festgelegt, entscheide Medium, Material, Technik, Format immer nach der
Angemessenheit für den Gedanken, die Idee, die Form.
Vielleicht ist das Gemeinsame aller Arbeiten das ihnen innewohnende Ereignis, das Veränderliche,
die Bewegung im Raum und in der Zeit. So ist allmählich aus dem Gemeinsamen
mein Thema geworden. Hier zeige ich ausschließlich kinetische Skulpturen, einige davon
zum ersten Mal öffentlich. Sie entfalten ihr dreidimensionales und raumgreifendes Bewegungsspiel
durch die Einwirkung von Windenergie, bei kleineren Arbeiten durch Luftzug oder einfach
durch den menschlichen Atem. Im statischen und dynamischen Wechsel von
Balance und Schwerkraft entstehen Choreografien von schwingenden, kreisenden und
pendelnden Bewegungen, unerwartet, spielerisch, langsam, leise und leicht. Dieser Qualität
von Bewegung gilt mein forschendes Suchen. Obgleich die Skulpturen in ihrer technischen
Konstruktion den Gesetzen der Physik folgen, in ihrer Struktur die Regeln des geometrischen
Raumes aufzeigen und in ihrer sachlichen Ästhetik eine geistige und verstandesmäßige
Nachvollziehbarkeit scheinbar anbieten, so wollen sie doch in ihrem künstlerischen Gehalt
als freie, dem Tänzerischen und Musikalischen verwandte Bewegungsimprovisationen, eher
von der Empfindung wahrgenommen und erkannt werden. Falls eine Interpretation nötig
wäre, könnte man sagen: Das „Langsame“ steht für eine kritische Position gegenüber
ständig wachsender Beschleunigung, das „Leise“, aus der Stille entwickelte, für das Verfeinern
der Wahrnehmung durch Konzentration und Besinnung und das schwerelose „Leichte“
für den sparsamen Gebrauch von Ressourcen, die Verwendung von Materialien und Energien
nach ökologischen Kriterien. Ich lobe die Bewegung in der bildenden Kunst,
denn sie befreit das Material von seiner Schwere und verbindet die Skulptur mit Raum
und Zeit.

Rolf Lieberknecht
COMMENTS “I praise dance, because it frees people from the weight of things and binds the
individual to society”.
(Augustine 354 – 430)

The results of my artistic efforts, taken as a whole, are highly varied. I am not bound to anything;
I decide on medium, material, technique and format according to their appropriateness
for my thoughts, for an idea, a form. Perhaps what is common to all my objects is an event
which takes place within, perpetual change, movement in space and time. Thus, in the
course of time, my theme has developed out of these common factors. Here, I am displaying
exclusively kinetic sculpture – some objects for the first time. They unfold their three-dimensional
space-grasping play of movement through wind energy, the smaller works through a
draught, or simply through human breath. Choreographies of swaying, circling, vibrating
movements – unexpected, playful, measured, soft and light, emerge from static and dynamic
changes in balance and gravity. It is this quality of movement that is the goal of my seeking.
Although the sculptures follow the laws of physics in their technical construction, the
laws of geometrical space in their structure and apparently offer an intellectually understandable
comprehensibility in their objective aesthetics, in the free improvisation, borrowed from
dance and music, which is their artistic form, they must be perceived and recognised from
the standpoint of emotion. If an interpretation is necessary, one could say: “measuredness”
stands for a criticism of continually growing acceleration, “soft”, developed from stillness,
stands for the refinement of perception through concentration and recollection and weightless
“light”, stands for the sparing use of resources, the employment of materials and energy on an
ecologically favourable basis. I praise movement in the Fine Arts for it frees
objects from their weight and relates sculpture to time and space.

Rolf Lieberknecht