„Wandelgang“ 2001
Eine Platzgestaltung in Leipzig
Mit Sophie an der Brügge und Cornelia Müller / Jan Wehberg, Lützow 7, Berlin
Der geformte Raum
In seiner Plazierung an stadträumlichen Sichtbezügen und Blicklinien orientiert, bildet „Der Wandelgang“ in leichter Schrägstellung und zur Eingangszone des Verlagsgebäudes raumgebend, die nördliche Kante des „Peterssteinplatzes“. In einer Synthese aus skulpturalem Environment, medialem Ereignis und architektonischem Raum sind künstlerische, erlebnishafte und funktionale Eigenschaften vereint. Zweimal vierzehn Lichtsäulen, in zwei Reihen hintereinander angeordnet, bilden einen langgestreckten rechteckigen Raum und tragen mit der Anmutung von Leichtigkeit und Balance eine steinerne horizontale Raumkante. Die Wirkung von beschwingter Leichtigkeit und ausbalanciertem Kräftespiel entsteht durch die besondere Art der Säulenstellung. Während die Lichtsäulen an ihrem Fußpunkt ungeniert und selbstbewußt aus der geordneten Reihung tanzen und dabei einer harmonischen Schwingung folgen, finden sie oben, wo sie in reduzierter Berührung die hohe Raumkante in der Schwebe halten, den gleichmäßigen Rhythmus auf der geraden Linie wieder. Sie stehen also in verschiedenen Richtungen schräg, und verformen den durch die Umgebung orthogonal definierten Raum nach innen wie nach außen. Im Inneren des Wandelgangs betritt man eine mit Sandsteinkieseln gefüllte Fläche. Das Gehen über dieses weiche, den Gleichgewichtssinn leicht und leise irritierende Material, mag zum Zweifel an der gewohnten Unverrückbarkeit des festen Bodens anregen. Nach oben ist der langestreckte Raum offen, ein Stück Himmel wird von der steinernen Kante wie ein Bild eingerahmt. Die luftig transparenten Säulenzwischenräume schließen sich in der schrägen Längsperspektive. Je nach Blickpunkt erscheint der Wandelgang geschlossen oder gibt den Durchblick frei auf den offenen Platz. In umgekehrter Richtung trifft der Blick auf eine Wand, die als ein visuell beruhigter Hintergrund den nördlichen Abschluß der gestalteten Platzfläche bildet. Nach Süden ausgerichtet, wird sie an sonnigen Tagen Projektionsfläche für die Schattenbilder von Säulen und wandelnden Passanten. Fast über die gesamte Länge ragt eine hölzerne Bank aus der Wand und verleiht dem Ort eine kontemplative Aufenthaltsqualität. Nach hinten geschützt sitzt man im Licht der Sonne, blickt durch den Wandelgang und hat die große offene Platzfläche mit ihrem grünen Gegenüber vor Augen, oder man sitzt am Caféhaustisch, wenn das Bistro an der Ecke ein paar Tische zwischen die Säulen gestellt hat. Und schließlich ist die Wand nicht ganz undurchsichtig. Eine Reihung kreisrunder Öffnungen läßt den gezielten Durchblick zu und ermöglicht unerwartete Entdeckungen in beiden Richtungen. Wir nennen sie in guter Tradition der Gartenkunst „Die kleine Neugierde.“
Das inszenierte Licht
Die quer zur Richtung des Wandelgangs verlaufenden Seitenflächen der Säulen sind über ihre gesamte Höhe mit indirekt strahlender Lichttechnik ausgerüstet. Durch Anstrahlung und Reflexion füllt das Licht die Säulenzwischenräume und das gesamte innere Volumen des Wandelgangs. Der tänzerischen Beschwingtheit der Säulenstellung gleich, gerät auch das Licht von Zeit zu Zeit und nicht allzu oft in langsame, leise und leichte Bewegung. Mit Naturphänomenen wie „Wetterleuchten“ oder „Nordlicht“ in zeitlupenartiger ”Entschleunigung” assoziierbar, schwingt das Licht golden abschwellend und silbrig aufglühend: eine Modulation von Hell und Dunkel, ein Nachleuchten des Tages an der Grenze zur Nacht.
Atmend, schwebend, fließend, könnten die Regieanweisungen für die Choreographie der lautlosen Lichtbewegung sein; andante, piano, pianissimo, will man das Lichtereignis mit den Tempi und Klangfarben einer musikalischen Komposition beschreiben. Die Inszenierung ist rechnergesteuert und wird zusätzlich von Wind- und Luftbewegungen über dem Platz animiert und dynamisiert. Die Gesetze des Zufalls gestalten so die Lichtwirkung ohne Wiederholungen. Bei mehr Wind wird das Andante zum Allegro, bei weniger zum Allegro moderato.